Der Sonderkündigungsschutz soll Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schützen, die einen Betriebsrat gründen möchten. Doch dieser Schutz ist nicht grenzenlos. Das Landesarbeitsgericht Thüringen (Urteil vom 20. 06. 2024 – 1 Sa 59/24) hat klargestellt: Wer seinen Arbeitgeber nicht rechtzeitig informiert, kann diesen besonderen Kündigungsschutz verlieren.

Ausgangspunkt des Rechtsstreits

Eine Arbeitnehmerin wehrte sich gegen ihre ordentliche Kündigung und berief sich auf den Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 b KSchG. Das Arbeitsgericht Erfurt gab ihr zunächst Recht und erklärte die Kündigung für unwirksam. Das LAG Thüringen sah das anders: Zwar habe grundsätzlich ein Sonderkündigungsschutz bestanden – dieser sei jedoch verwirkt, weil die Klägerin den Arbeitgeber zu spät über ihren Sonderstatus informiert hatte.

Was gilt als Vorbereitungshandlung im Sinne des Gesetzes?

§ 15 Abs. 3 b KSchG schützt Arbeitnehmer, die Vorbereitungshandlungen zur Gründung eines Betriebsrats vornehmen. Darunter fällt jedes nach außen erkennbare Verhalten, das auf die Vorbereitung einer Betriebsratswahl gerichtet ist.

Im konkreten Fall hatte die Klägerin nach Erhalt der Kündigung ihren Rechtsanwalt zur Möglichkeit einer Betriebsratsgründung konsultiert. Das Arbeitsgericht sah allein diese rechtliche Beratung bereits als ausreichende Vorbereitungshandlung an. Ab diesem Moment bestand für sie ein besonderer Kündigungsschutz.

Warum das LAG Thüringen den Schutz als verwirkt ansah

Das LAG Thüringen bestätigte zwar grundsätzlich das Vorliegen des Sonderkündigungsschutzes. Es entschied jedoch, dass die Klägerin diesen verwirkt hatte, da sie den Arbeitgeber nicht innerhalb einer angemessenen Frist über ihren Status als Vorfeldinitiatorin informierte.

Das Gericht setzte hierfür eine Drei-Wochen-Frist an – analog zur Frist, innerhalb der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage erheben müssen. Nach Ablauf dieser Frist müsse der Arbeitgeber nicht mehr damit rechnen, dass ein Sonderkündigungsschutz greift.

Keine gesetzliche Mitteilungspflicht – aber eine faktische Obliegenheit

§ 15 KSchG enthält zwar keine ausdrückliche Mitteilungspflicht. Das LAG sah jedoch eine solche Obliegenheit, weil dem Arbeitgeber bei der Gründung eines neuen Betriebsrats der besondere Schutzstatus des Arbeitnehmers naturgemäß unbekannt ist.

Zur Begründung verwies das Gericht auf die Rechtsprechung zum Sonderkündigungsschutz schwerbehinderter Menschen. Auch dort kann der Arbeitgeber nur dann mit einer besonderen Schutzlage rechnen, wenn er darüber informiert wird.

Die Bedeutung der Drei-Wochen-Frist

Innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung muss der Arbeitgeber damit rechnen, dass die Kündigung angegriffen wird. Das LAG übertrug diese Frist auch auf die Mitteilung des Sonderkündigungsschutzes. Erfolgt der Hinweis später, ist der Schutz verwirkt.

Im vorliegenden Fall hatte sich die Klägerin erst 15 Monate nach der Kündigung auf § 15 Abs. 3 b KSchG berufen. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Schutz nicht mehr greifen – die Kündigung blieb wirksam.

Wichtige Hinweise für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Für Arbeitnehmer:
Wer eine Betriebsratsgründung vorbereitet und sich auf den Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 b KSchG berufen möchte, sollte den Arbeitgeber spätestens innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung informieren. Nur so bleibt der Schutz bestehen.

Für Arbeitgeber:
Erfolgt keine rechtzeitige Mitteilung über einen bestehenden Sonderstatus, bleibt die Kündigung wirksam. Arbeitgeber müssen nicht unbegrenzt mit einer nachträglichen Berufung auf Sonderkündigungsschutz rechnen.


Fazit

Das Urteil des LAG Thüringen verdeutlicht: Der Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 b KSchG schützt Beschäftigte, die einen Betriebsrat gründen wollen – aber nur dann, wenn rechtzeitig gehandelt wird.

  • Sonderkündigungsschutz entsteht bereits durch erkennbare Vorbereitungshandlungen.
  • Der Schutz kann jedoch verwirkt sein, wenn der Arbeitgeber nicht innerhalb von drei Wochen informiert wird.
  • Arbeitnehmer sollten ihren Sonderstatus aktiv mitteilen.
  • Arbeitgeber können sich auf die Frist berufen, wenn die Mitteilung verspätet erfolgt.

💡 Tipp: Wer eine Kündigung erhält und gleichzeitig eine Betriebsratsgründung plant, sollte sofort rechtlichen Rat einholen. Frühzeitiges Handeln kann entscheidend sein, um den Sonderkündigungsschutz wirksam zu sichern.

 


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