Entscheidung des OLG Frankfurt – 8. Zivilsenat – Urt. v. 26.03.2019 – 8 U 148/13

Morbus Sudeck oder auch als Komplex Regionales Schmerzsyndrom (engl. CRPS = Complex Regional Pain Sydrom) bekannt, ist meist auf eine Verletzung, einen Unfall oder eine Operation an der betroffenen Gliedmaße zurückzuführen.

Fazit:

Für den Kausalitätsnachweis für Folgeschäden (Sekundärschäden), die erst durch die infolge des Behandlungsfehlers eingetretene Gesundheitsverletzung entstanden sein sollen, gelten die Grundsätze über die Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern nur dann, wenn der Sekundärschaden eine typische Folge des Primärschadens ist.

Oder anders ausgedrückt:

Die Folgeschäden müssen gerade auf die verursachte Gesundheitsverletzung typischerweise zurückführbar sein.

Was war geschehen?

Der Kläger macht gegen den Beklagten Ansprüche im Zusammenhang mit einer orthopädischen Behandlung geltend.

Am 18. oder 19. Mai 2010 stürzte der Kläger zu Hause und brach sich das rechte Handgelenk und die rechte Speiche.

Daraufhin suchte der Kläger die Praxis des Beklagten auf, wo nach erfolgter Untersuchung ein Befund festgestellt und eine Therapie angeordnet wurde.

Bei der Gipskontrolle am Folgetag teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass der Gips drücke und schmerze. Der Beklagte war jedoch der Ansicht, dass der Gips gut sitze und nur ungewohnt sei.

Der Kläger stellte sich sodann am 31. Mai 2010 zu einer erneuten Gipskontrolle vor. Hierbei stellte der Beklagte fest, dass die Motorik und Sensibilität ordnungsgemäß seien; zudem wurde eine nach wie vor bestehende Bewegungseinschränkung festgestellt.

Am 09. Juni 2010 wurde der Gips abgenommen und eine neu gepolsterte Schiene für weitere zwei Wochen angelegt.

Am 16. Juni 2010 wurde diese Schiene abgenommen, neu angepasst und gepolstert.

Am 24. Juni 2010 wurde diese Schiene dann endgültig abgenommen.

Der Kläger erhielt eine Schiene, die er bei Beschwerden anlegen sollte. Er stellte sich anschließend nicht mehr in der Praxis des Beklagten vor.

Der Kläger erhob daraufhin Klage und behauptete, dass ihm ein Rundgips statt einer medizinisch gebotenen Gipsschiene verordnet und angelegt worden sei. Dieser Rundgips sei zu eng gewesen trotz erheblicher Beschwerden, die er dem Beklagten auch telefonisch mitgeteilt habe. Die neue Gipsschiene sei ebenfalls zu eng gewesen.

Er behauptete weiter, dass der Rundgips bei ihm zu einem Morbus Sudeck geführt habe, so dass er bis zum heutigen Tag nicht in der Lage sei, den rechten Finger und das Handgelenk nicht schmerzfrei und uneingeschränkt bewegen zu können. Darüber hinaus müsse er die Schiene nachts durchgehend und tagsüber teilweise anlegen.

Der Beklagte behauptet jedoch, dass er den Kläger nach den Regeln der ärztlichen Kunst behandelt habe. Während der Behandlungsphase des Klägers seien keine Anzeichen vorhanden gewesen. Sollte es in der Folgezeit zu einem Morbus Sudeck gekommen sein, so wäre die Ursache in dem Unfall selbst und nicht in der Behandlung zu sehen, da der Behandlungsablauf sowie der Genesungsablauf aus seiner EDV-Dokumentation ergebe.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen, weil ein Sachverständigengutachten ergeben habe, dass auch andere Ursachen zum Morbus Sudeck geführt haben könnten.

Begründung:

Mit der Berufung verfolgte der Kläger seine erstinstanzlichen Ziele unverändert weiter.

Der 8. Senat des Oberlandesgerichts war der Ansicht, dass dem Kläger der Nachweis gelungen sei, dass ein Behandlungsfehler unterlaufen wäre.

Aufgrund der Beweisaufnahme und der informatorischen Anhörung beider Parteien konnte festgestellt werden, dass dem Kläger am 19. Mai 2010 in der Praxis des Beklagten ein sog. ungespaltener Rundgips angelegt worden sei und er diesen bis zum 09. Juni 2010 getragen habe. Diese Behandlungsmaßnahme war fehlerhaft, stellte jedoch keinen groben Behandlungsfehler als solchen dar.

Selbst wenn man von einem groben Behandlungsfehler ausgehen wollte, bliebe es dabei, dass der Kläger die Beweislast für die Kausalität zwischen Behandlungsfehler und dem Auftreten des Morbus Sudeck trage.

Da dieser nach dem Klagevortrag nicht durch den Sturz, sondern durch die ärztliche Fehlbehandlung eingetreten sei, schlussfolgert der Kläger daher einen Sekundärschaden.

Denn:

Die Grundsätze über die Beweislastumkehr für den Kausalitätsbeweis bei groben Behandlungs-fehlern finden grundsätzlich nur Anwendung, soweit durch den Fehler des Arztes unmittelbar verursachte haftungsbegründende Gesundheitsverletzungen (Primärschäden) in Betracht kommen.

Für den Kausalitätsnachweis für Folgeschäden (Sekundärschäden), die erst durch die infolge des Behandlungsfehlers eingetretene Gesundheitsverletzung entstanden seien sollen, kommen die Grundsätze nur dann zur Anwendung, wenn der Sekundärschaden eine typische Folge des Primärschadens wäre.

Laut einem Sachverständigengutachten könne man nicht davon sprechen, dass ein Morbus Sudeck eine typische Folge eines zu engen Gipses sei. Das Problem sei eher darin gelegen, dass man nach wie vor nicht genau wisse, wie ein Morbus Sudeck überhaupt enstehe. Zwar könne die Schwellung insofern ein Problem darstellen, aber ein Morbus Sudeck könnte selbst dann entstehen, wenn gar keine therapeutischen Maßnahmen ergriffen würden.

Auch nach dem Beweismaß des § 287 ZPO ist dem Kläger nicht gelungen nachzuweisen, dass der Morbus Sudeck auf dem Behandlungsfehler beruht. Nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse beläuft.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert