Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem es um die Geltendmachung verschiedener Arten von Urlaubsansprüchen ging und der sich daran anschließenden Frage, ob diese gleichermaßen auf bereits gewährte Urlaubstage angerechnet werden.

Gegenstand des Ausgangsverfahrens

Der schwerbehinderte Kläger war als Regionalgeschäftsführer bei der Beklagten beschäftigt. Ihm standen aufgrund der Vereinbarung im Arbeitsvertrag 30 Urlaubstage, sowie ab Vollendung des 40. Lebensjahres zwei zusätzliche Urlaubstage zu. Als schwerbehinderter Mensch ergänzte sich sein Urlaubsanspruch um 5 zusätzliche Tage. Insgesamt stand dem Kläger demnach ein Anspruch auf 37 Urlaubstage pro Jahr zu.

Im Arbeitsvertrag fand sich darüber hinaus eine Regelung für den Verfall von Urlaubstagen, soweit diese nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraumes genommen werden.

Ausgangspunkt des Rechtsstreits war, dass die Beklagte dem Kläger im Jahr 2016 26 von 37 Urlaubstagen gewährte. Es wurden dabei keine Bestimmungen getroffen, um welche Art des Urlaubs es sich jeweils handelte. Der Kläger forderte die Beklagte nach Ablauf des Jahres auf, die noch nicht gewährten elf Urlaubstage abzugelten. Die Beklagte machte geltend, dass die nicht eingeforderten Tage verfallen seien.

Der Kläger berief sich jedoch darauf, dass zunächst die Urlaubstage des Zusatzurlaubes für Schwerbehinderte und im Anschluss der tarifvertragliche Mehrurlaub anzurechnen sei. Der noch ausstehende Teil des gesetzlichen Urlaubsanspruchs in Höhe von elf Tagen sei nicht verfallen.

Anspruch auf Zusatzurlaub ist keine selbstständige Forderung

Entgegen der Ansicht des Klägers nahm das Gericht an, dass die Tilgungsbestimmung nach § 366 Abs. 2 BGB in diesem Fall nicht anwendbar sei. Der Grundsatz, dass eine Leistung zunächst diejenige Forderung, welche die geringste Sicherheit bietet erfüllen soll, sei bereits aufgrund der Tatsache, dass es sich bei dem Anspruch auf Zusatzurlaub nicht um eine eigenständige Forderung handle, ausgeschlossen. Grundsätzlich sei es richtig, dass die Urlaubstage, welche verfallen können eine geringere Sicherheit bieten. Der Anspruch auf gesetzlichen Urlaub, Zusatzurlaub und tariflichen Zusatzurlaub sei jedoch einheitlich zu betrachten. Insofern sei bereits das Merkmal „mehrere Forderungen“ nicht erfüllt. Dies ergebe sich bereits aus dem Wort „Zusatz“, welches einen akzessorischen Charakter verdeutliche. Da die Regelungen des Arbeitsvertrages qualitativ nicht zwischen gesetzlichen, arbeits- oder tarifvertraglichen Urlaubsansprüchen unterscheiden, komme ein Rückgriff auf die Vorschrift des § 366 Abs. 2 BGB nicht in Betracht.

Einheitlicher Anspruch auf Urlaub

Im Ergebnis stellte das Gericht fest, dass es lediglich einen einheitlichen Anspruch auf Erholungsurlaub gegeben habe, der auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen beruhe. Welcher durch den Arbeitgeber gewährte „Urlaubstyp“ auf welchen Tag fällt ist daher unerheblich. Die durch den Arbeitnehmer gewährten Zusatzurlaubstage teilen grundsätzlich das Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs.

Urlaubstage verfallen einheitlich

Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich berechtigt, den Verfall von nicht eingeforderten Urlaubstagen zu regeln. Dies gilt über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinaus auch für den Zusatzurlaub. Indem der Kläger innerhalb der Frist lediglich 26 Tage geltend machte, verfielen die restlichen Urlaubstage.

Endgültige Regelung bleibt abzuwarten

Da das Landesarbeitsgericht Hamm in Bezug auf die Entscheidung die Revision zugelassen hat, bleibt eine endgültige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts abzuwarten. Das Gericht begründete die Zulassung der Revision vorrangig mit den erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Darüber hinaus betreffen die aufgeworfenen Fragen eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen.

Ob und inwiefern Arbeitgeber bei der Gewährung von Urlaubstagen eine Bestimmung treffen müssen, welche Art von Urlaub sie gewähren ist weiterhin unklar. Nach derzeitiger Rechtsprechung ist von einem einheitlichen Urlaubsanspruch auszugehen, der nicht zwischen gesetzlichen Urlaubsansprüchen und Zusatzurlaub differenziert. Anders dürfte die Rechtslage jedoch im Hinblick auf Bildungs- und Sonderurlaub zu beurteilen sein, da für diese Art des Urlaubs weitere Besonderheiten gelten.

LAG Hamm, Urteil vom 11.02.2021 – 5 Sa 1125/20


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