In einem bemerkenswerten Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 12. Januar 2021 (Aktenzeichen VI ZR 662/20) wurde festgelegt, dass Autofahrer, die beim Ausparken eines fremden Fahrzeugs ihr eigenes Fahrzeug beschädigen, für die entstandenen Schäden selbst aufkommen müssen. Dieses Urteil unterstreicht wichtige Aspekte der Halterhaftung und differenziert zwischen vertraglichen Auftragsverhältnissen und Gefälligkeiten des täglichen Lebens.

Der Sachverhalt im Detail

Ein auf den Rollstuhl angewiesener Fahrzeughalter wollte sein behindertengerecht umgebautes Kraftfahrzeug, das über eine Handbedienung für Gas und Bremse verfügt, aus einer Parklücke manövrieren. Um ihm das Einsteigen zu erleichtern, bot ein Bekannter seine Hilfe an. Während des Ausparkvorgangs verlor dieser jedoch die Kontrolle über das Fahrzeug, das daraufhin gegen sein eigenes, auf demselben Parkplatz abgestelltes Auto rollte. Für den dabei entstandenen Schaden forderte der helfende Bekannte Schadensersatz vom Fahrzeughalter.

Schlüsselentscheidung des BGH

Kein Anspruch auf Schadensersatz aus Auftragsverhältnis

Der BGH lehnte einen Schadensersatzanspruch basierend auf § 670 BGB ab, da die Handlung des Helfers als eine alltägliche Gefälligkeit und nicht als ein vertragliches Auftragsverhältnis gemäß § 662 BGB angesehen wurde. Entscheidend für diese Einordnung ist der Rechtsbindungswille der Beteiligten, der im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden konnte. Der BGH betont, dass eine vertragliche Bindung insbesondere dann anzunehmen ist, wenn für den Leistungsempfänger wesentliche wirtschaftliche Interessen im Spiel sind oder wenn der Leistende ein eigenes rechtliches oder wirtschaftliches Interesse hat. Da solche Faktoren hier fehlten, wurde kein Auftragsverhältnis angenommen.

Ausschluss der Halterhaftung

Weiterhin wurde ein Anspruch gegen den Fahrzeughalter aus der Halterhaftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG verneint. Der BGH berief sich dabei auf § 8 Nr. 2 StVG, der besagt, dass die Vorschriften des § 7 StVG nicht anwendbar sind, wenn der Geschädigte selbst bei dem Betrieb des Fahrzeugs tätig war. Da der Kläger das Fahrzeug bewegte und dabei sein eigenes beschädigte, sah der BGH den Ausschlussgrund als gegeben. Die Argumentation, dass das eigene Fahrzeug nur zufällig den Gefahren ausgesetzt wurde, fand keine Anerkennung.

Keine Haftung aus fahrlässigem Handeln

Eine Haftung aufgrund fahrlässigen Handelns gemäß § 823 Abs. 1 BGB wurde ebenfalls ausgeschlossen, da ein Verschulden durch möglicherweise fehlerhafte Einweisung nicht nachgewiesen werden konnte.

Fazit und Relevanz für die Praxis

Dieses Urteil verdeutlicht die rechtlichen Grenzen der Halterhaftung und die Bedeutung der Unterscheidung zwischen vertraglichen Beziehungen und Gefälligkeiten des täglichen Lebens. Es unterstreicht die Notwendigkeit, sich der potenziellen rechtlichen Konsequenzen bewusst zu sein, wenn man Hilfe beim Ausparken anbietet oder annimmt.


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